Unter diesem Titel durfte ich auf dem Frankfurter Tag des Online-Journalismus für meinen Sender einen Vortrag halten. Der FTOJ drehte sich um die Frage, wie man die Internet-Generation anspricht. Da ich für meine Präsentation erstmals das Mindmap-Überfliege-Tool Prezi verwendet habe, hatte ich mir Stichwortnotizen gemacht, die ich hier versuche, in einen Prosatext umzubiegen. Es galt das gesprochene Wort.
Dafür, dass der Startseite dieses Blogs die Kommentarfunktion fehlt, bitte ich um Entschuldigung.
Die Generation Internet – wollen Sie wirklich wissen, was die über uns, die klassischen Medien, denken? Ich zeig’s Ihnen mal:
„Your Medium is Dying“ – so sieht uns die Simpsons-Figur Nelson Muntz. Wie gewinnen wir ihn, diesen Nelson? Das ist die Frage, der ich nachspüren möchte.
Dafür habe ich mir eine etwas ältere Variante von Nelson aus der wirklichen Welt geholt. Viel weiß ich nicht über ihn – aber doch so viel:
- er ist ein „digital native“, das heißt: geboren 1980 oder später, mit Internet, Handy und Co. aufgewachsen; von daher stellt die Technik kein Hindernis für ihn dar,
- er ist ein Kind des medialen Überflusses: alles ist zu bekommen, alles nur einen Klick entfernt, vieles kostenlos,
- er ist tendenziell „always on“ (wenn auf diesem Foto auch nur analog per Handy).
Was erwartet Nelson von Medien, die er nutzt? Nein: Welche Bedingungen stellt er uns? Das, was jetzt kommt, ist ein informiertes journalistisches Konstrukt; erwarten Sie also bitte keine Medienforschung.
Welche Bedingungen stellt Nelson uns also? Diese:
- Transparenz
- Gemeinschaft
- Autonomie
- Entschiedenheit
- die richtigen Codes.
Ich möchte diese Punkte nun einzeln erläutern und Ihnen Beispiele dazu zeigen, wie es Medien machen – oder auch nicht.
1. Transparenz
Was heißt das praktisch? Die erste Antwort der klassischen Medien darauf kennen Sie: Nutzerkommentare. Die Anbieter öffnen ihre Angebote für die Meinungen und Wertungen ihrer Leser. Nehmen wir als Positivbeispiel ein Angebot von Springer: Welt Online setzt seit einigen Jahren massiv darauf, den Eindruck der Dialogbereitschaft zu erwecken – dadurch, dass ich jeden Artikel sofort kommentieren kann, durch Wertungen, aber auch dadurch, dass das Wort „Debatte“ einen zentralen Platz in der Navigation hat und dort journalistische Kommentare, Blogs und Foren zusammenfließen. Der Erfolg: Anders als die gedruckte Welt, die immer noch Springers Geldgrab ist, hat Welt Online wachsenden Erfolg – und hat beispielsweise sueddeutsche.de 2008 klar überholt. Ob die Delle in der Nutzerstatistik bei sueddeutsche.de auch damit zusammenhängt, dass die Münchener in diesem Jahr meinten, ihren Nutzern Kommentare nach Dienstschluss sperren zu müssen – ehe da irgendeiner was Unschönes schreibt, sollten sie lieber gar nicht schreiben – und damit für ordentlich Ärger sorgte, darüber kann ich nur spekulieren.
Nun bietet uns das Internet zwar neue Werkzeuge; aber Hörermeinungen einzubinden, das tun Medien schon lange. Mein angestammtes Medium, das Radio, kennt seit je her die „Call-in-Show“ – eine Diskussionssendung mit Hörerbeteiligung über Telefon. Der Fernsehsender ABC hat daraus eine „Call-In-Sendung 2.0“ gebastelt: In der NightTline können Nutzer über Twitter ihre Meinung äußern – und der Moderator kann sie nach Belieben groß ziehen und so in die Sendung einbauen. Um so erstaunlicher, da „Nightline“ eigentlich eine ganz dröge, lineare „Sprechende Köpfe“-Sendung ist – mit einem Pro- und einem Kontra-Experten. Der Charme: Die per Twitter verfügbaren Zuschauermeinungen liegen ganz in der Hand des Moderators – und geben den Zuschauern trotzdem das Gefühl beteiligt zu sein. Mehr noch: wenn er den Verdacht hat, einer seiner Experten redet Unsinn, kann er das „crowdsourcen“ und kann hoffen, dass einer der Twitter-Nutzer das entscheidende Loch in der Argumentation entdeckt.
Beispiel für den Nutzen, den Redaktionen aus „user-generated content“ zu verweisen – wenn die BBC heute dazu aufruft, Informationen und Fotos einzuschicken, wundert das keinen mehr.
Nun ist das mit der Transparenz so eine Sache: sie wirkt nicht nur in eine Richtung. In gleichem Maße, in dem die Meinung der Nutzer in die Redaktionen eindringt, wollten sie auch sehen, was dort passiert. Darauf haben Redaktionen wie z.B. die der Tagesschau reagiert, indem sie Redaktionsblogs eingerichtet haben – in denen sie sich den Zuschauern zu erklären versuchen. (Dass Blogs als Publikationsinstrumente der Einzelkämpfer dafür vielleicht nicht sonderlich gut geeignet sind und einen „Oh, schon wieder ein Medienunternehmens-Blog“-Effekt auslösen, ist wieder ein anderes Thema.)
Nur: Wenn man einmal mit der Transparenz anfängt, sind die Nutzer so schnell nicht zufrieden zu stellen. Tun wir das, was Jeff Jarvis uns rät, Journalistikprofessor in New York: Fragen wir uns „Was würde Google tun?“ Google hat Erfolg im Internetzeitalter, Google hat die Internet-Welt begriffen – und Google tut etwas sehr spannendes – es stellt immer wieder unfertige Dinge vor. Beta-Produkte. Warum? Jeff Jarvis meint, das sei
„Google’s way of never having to say they’re sorry.“
Wenn wir wirklich davon lernen wollen – und Nelson gerecht werden – dann könnten wir klassische Medien über public beta auch im Journalismus nachdenken. Eine andere Arbeitsweise, „Prozessjournalismus“ oder „Betajournalismus“. Das steht allerdings zur Aura der Unfehlbarkeit, mit der sich die so genannten Qualitätsmedien gern umgeben.
Nochmal kurz zurück zur Tagesschau: Wenn die Kommentarhäufigkeit ein Kriterium ist für den Erfolg eines Blogs, wird das TS-Blog von einem regionalen ARD-Angebot locker geschlagen: dem Blog der RBB-„Abendschau“. Und das, obwohl dies Blog eigentlich nach klassischem Verständnis keins ist: Die Kollegen haben dort (früher) vor allem einen Teil ihrer fertigen Fernsehbeiträge eingestellt. Offenbar geht es bei diesem Angebot gar nicht um den Faktor Transparenz, sondern um einen weiteren – auf den wir jetzt zu sprechen kommen: die Herstellung von Gemeinschaft.
(Fortsetzung folgt)
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