Der leidenschaftliche Amateur schlägt den gelangweilten Profi fast immer – mit diesem Satz des „Wired“-Chefredakteurs Chris Anderson kann man nicht nur gut zur Erklärung des „Long Tail“ hinführen, sondern vor allem auch junge Journalismus-Profis trefflich provozieren. Dann diskutiert es sich viel besser darüber, warum das mit „Kuratieren“ – Inhalte und Leistungen Außenstehender offen und offensiv in eigene Produkte integrieren – so eine wichtige Technik ist.
Problem ist bloß: womit belege ich die Behauptung von Chris Anderson? Mit dieser Frage schlage ich mich herum, weil ich gerade ein Kompaktseminar Online-Journalismus für die nächsten hr-Volontäre vorbereite. Die Antwort brachte – unerwartet – meine BBC-Lieblingsserie „Doctor Who“ [IMDb]. Auf der Suche nach einer Rezension bin ich via IMDb auf MaryAnn Johanson gestoßen, eine Filmkritikerin, die mit großer Leidenschaft und Originalität über „Doctor Who“ bloggt – und hier ihren Arbeitsprozess beschreibt. Auch für Rezensionen gilt: Mehr Aufwand, besseres Ergebnis, right?
So blogge ich über Doctor Who: Ich sehe mir jede [dreiviertelstündige] Episode dreimal an. Das erste Mal nur, um den Reiz einer neuen Folge zu genießen. Das zweite Mal, um Dinge wahrzunehmen, die beim ersten Mal nicht bedeutungsvoll erschienen, aber jetzt mehr Sinn ergeben, wo ich weiß, wie die Sache ausgeht. Diese beiden Durchgänge sehe ich mir samstagsabends auf dem Sofa an, üblicherweise mit einem Glas Wein und etwas zum Knabbern, und während ich anfange, meinen Text über die Episode zu formulieren, denke ich eigentlich gerade erst darüber nach. Der dritte Durchgang, am Sonntag, ist der intensive: Ich sitze am Computer, mache mir Notizen, mache Bildschirmfotos aus der Episode, erledige jetzt endlich wirklich die Arbeit, eine Art Sinn aus der Episode zu ziehen. [Quelle/meine Übersetzung]
Man vergleiche das in Gedanken kurz mit der Aufwands-Ertrags-Rechnung eines Profi-Kritikers: Wer für eine Rezension einer einzelnen TV-Folge mit einem in der Regel allenfalls zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Honorar entlohnt wird – und davon am Ende auch noch leben muss – kann und wird sich diese Arbeitsweise nicht leisten. Der Amateur siegt – muss siegen.
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