Hören, was sich tut im Sozialen Internet: Social Media Monitoring ist inzwischen zum lukrativen Geschäft geworden. Eine große Zahl von Anbietern verspricht, bei der Beobachtung des Sozialen Netzes zu helfen; verspricht, Augen und Ohren zu liefern für den Blick aufs aus Markensicht Wesentliche. Dass ein Blick auf einige dieser Angebote bei mir eine gewisse Ernüchterung ausgelöst hat, habe ich erwähnt [siehe: „Rostige Instrumente – Social Media Monitoring wird tückisch“]; nun wird es Zeit, sich an die versprochene Eigenbau-Alternative zu wagen – ein Jahr nach dem ersten Anlauf für meinen Social-Media-Werkzeugkasten.
Um es aber klar zu sagen: Ein professionelles Monitoring-Tool ersetzt ein solcher Eigenbau nicht – das ist auch nicht der Anspruch. Aber er liefert wenigstens die Messlatte, an der man solche Tools messen kann. Und für den Hausgebrauch eine kostengünstige Alternative.
Also: Schritt für Schritt – nach dem Klick.
0. Was wollen wir überhaupt beobachten?
Eine kleine semantische Klarstellung zum Einstieg: Was „Brand Monitoring“ (im hr sprechen wir übrigens von Keyword-Monitoring) ist und was nicht.
- Uns interessiert, wer was über unsere Marke spricht – vergleichbar mit einem Presseausschnittdienst im Sozialen Internet.
- Uns interessiert nicht, wie erfolgreich unsere eigenen Aktivitäten sind – die Messung von Resonanz und Relevanz ist nochmal ein völlig anderes Feld, auf dem professionelle Tools ihre Stärken ausspielen.
- Deshalb wollen wir auch nicht alles wissen, sondern nur relevante Dinge mitbekommen.
Nehmen wir den Beispielfall der Social-Media-Redakteurin Ines in einer kleinen Redaktion, sagen wir: für das fiktive „Westend Radio“ in Frankfurt. Ines möchte wissen, was die Fans so zum Programm sagen. Außerdem lässt sie die Furcht nicht los, dass die „Du verdienst mehr“-Kampagne aus der vergangenen MA-Welle immer noch zu einem Shitstorm führen könnte.
0,5. Wahl der Waffen
Nochmal das Problem: Es geht darum, bestimmte Quellen nach einer begrenzten Anzahl von Suchbegriffen zu durchsuchen bzw. zu filtern. Die Instrumente meiner Wahl dafür sind RSS-Feeds und Yahoo Pipes. Die Kenntnis von RSS-Feeds setze ich arroganterweise voraus; wer Yahoo Pipes noch nicht kennt: das ist eine grafische Oberfläche für die Verarbeitung und Umarbeitung von Feeds. Aus vorgefertigten Logikblöcken und Leitungen stöpselt man sich einen Datenstrom nach Wunsch zusammen – vielseitig, leistungsfähig, praktisch.
So schön die Yahoo Pipes sind – sie führen einen schnell an Grenzen: Suchvorlagen werden dort u.a. mithilfe regulärer Ausdrücke formuliert, die nur graubärtige Althacker und kindhafte Computergenies verstehen. Aber vielleicht kennt man ja so jemanden? Ich habe versucht, ohne diese technisch anspruchsvollen Tricks auszukommen – und Yahoo Pipes sind auch ohne sie einen Blick wert.
So oder so: ich habe rund um das Beispiel eine Muster-Pipe gebastelt, an der ich mich Stück für Stück entlanghangele. Wer möchte, kann sie kopieren und (hoffentlich) ohne große Mühe an die eigenen Wünsche anpassen.
Nun aber genug der Vorrede.
1. Stichworte definieren
Zurück zu Ines, unserer Redakteurin aus dem Beispiel. Sie muss jetzt erst einmal eine Liste machen mit den Suchwörtern – neben dem Namen des Senders und der Morgenshow wären das der des prominenten Morgenpromoters und der Claim der letzten Kampagne.
In meiner Beispiel-Pipe habe ich die (sehr kurze) Suchwort-Liste an zwei Stellen verwendet:
- für einen Filter auf der rechten Seite, der Treffer nur dann durchlässt, wenn sie ein Suchwort enthalten (bzw. blockiert, wenn sie ein Sperrwort wie „London“ enthalten),
- für einen Such-String: westend OR „frankfurter westend“ OR (westend frankfurt) – zum Zusammenbau solcher Such-Strings bitte hier bei Google weiterlesen
Was sind die richtigen Suchbegriffe? Welche Suchworte muss ich noch aufnehmen, um nichts zu verpassen – etwa weil ein Teil meiner Nutzer statt Radio konsequent „Dudelfunk“ sagt? Um die Todesart „Death by thesaurus“ auszuschließen, hilft ein Trick: Zu den zentralen Begriffen den Web-Assoziator befragen – das Google Wonder Wheel gibt’s ja leider nicht mehr – und die Kollegen: Welche Begriffe gehören zum Umfeld meiner Suchwörter? Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ich finde, was mich interessiert.
Nicht jeder von uns hat das Glück, mit einem suchmaschinenoptimierten Namen unterwegs zu sein; ich teile mir den meinen zum Beispiel mit dem „Hechtpapst“ und muss deshalb Ego-Google-Suchen u.a. immer um die Attribute „-fisch -angeln -hecht“ ergänzen. Konkret: Gibt es Einschränkungs- und Ausschlusskriterien für Suchworte? In unserem Beispiel sollten die Begriffe „Radio“ und „Westend“ nur zu Treffern führen, wenn sie zusammen auftauchen; außerdem sollte man als zusätzliche Bedingung „UND Frankfurt“ vormerken bzw. wenigstens „UND NICHT London“.
2. Google Alert einrichten
Mit Google kann ich ein weites Netz auswerfen rund um meine Marke und beispielsweise den Kampagnen-Slogan: Was Google neu findet, könnte wichtig sein und lohnt einen Blick. Automatisierte Meldungen neuer Fundstücke – eben die Google Alerts – kann man sich per Mail schicken lassen, für unsere Zwecke ist es aber effizienter, sich einen oder mehrere Feeds einzurichten – je nach Anzahl der Suchworte. Dazu klickt man unten bei „Senden an“ auf Feeds. Google stellt die Suche dann automatisch auf Echtzeit um – Treffer erscheinen, sobald Google sie findet.
In meiner Pipe werden zwei Alerts – nun ja: offen gesagt, zweimal derselbe – zu einem Feed zusammengeführt und dann weitergeleitet.
3. Weitere Quellen auswählen
Wichtig: Auch diese Quellen benötigen wir als RSS-Feeds – also helfen uns nur Suchdienste und -maschinen, die einen solchen Feed produzieren; erkennbar am kleinen Feed-Symbol.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Youtube hinzufügen: wie man die Youtube-Suche einspannen kann, um gezielt einen RSS-Feed mit Suchergebnissen zu produzieren, habe ich in diesem Post erklärt.
- Die Twitter-Suche einspannen: suchen wir mal beispielhaft nach dem Frankfurter Westend in (sprachlicher und räumlicher) Nähe zum Westend. Schön wär’s, wenn wir das auch als Feed erzeugt haben könnten; das hat Twitter vor einiger Zeit abgeschaltet – allerdings funktionieren die Feeds selbst immer noch. Mit einer ähnlichen Technik wie bei Youtube können wir immerhin nach Frankfurt und Westend suchen, und genau das tut auch die Pipe.
- Da Facebook selbst keine Feeds von
seitenSuchen anbietet, muss man ein wenig tricksen und eine Suchmaschine wie kurrently nutzen – die sich den RSS-Feed aus der Facebook-Suche allerdings mit einem Tweet bezahlen lässt. Am Ende steht dann z.B. so was. (In meiner Demo-Pipe fehlt die Facebook-Suche einstweilen noch.) - Der deutsche Blog-Aggregator Rivva ist ein großartiges Werkzeug: Was da auftaucht, hat in der Blogosphäre Relevanz; wenn eine Sünde erst einmal bei Rivva ankommt, kann man guten Gewissens von einem shitstorm sprechen. Rivva liefert einen Feed; natürlich sind nicht alle Rivva-Empfehlungen interessant – deswegen nutzen wir ein weiteres nützliches Pipes-Modul: den Filter. Er lässt nur Treffer durch, die unsere Suchworte enthalten (und wer will, kann einen zweiten Filter dahinter setzen, der Treffer mit dem Ausschlusswort „London“ blockiert).
- Gezielt einzelne Blogger suchen, die für mein Thema relevant sind. Auch deren Posts zusammenführen und durch den vorher definierten Filter leiten.
Und vielleicht ist es keine schlechte Idee, das Netz noch ein wenig weiter auszuwerfen:
- Eine Blog-Suchmaschine wie icerocket hinzufügen: hier das Beispiel; die Such-Abfrage bauen wir uns ganz ähnlich zusammen wie bei Youtube. Leider, leider, leider funktioniert die Icerocket-RSS-Suche nicht mit Yahoo Pipes. Vermutlich ein Programmierfehler. (NB: Auch die Facebook-Suche von Icerocket taugt leider nichts.) Das einzig Tröstliche: Wer mit einem RSS-Reader arbeitet, kann sich die Blogsuche mit dieser Methode direkt in den Reader holen. (Nachtrag: Weil Icerocket so zickt, habe ich statt dessen die Twingly-Suche verwendet, siehe nächster Post.)
4. Ergebnisse zusammenfügen
Alle Treffer sollen auf einer Seite abrufbar sein – sonst schafft unser selbst gebauter Monitor keinen Überblick, sondern Verwirrung.
Dazu benutzen wir erst einmal ein Modul, das Dubletten ausfiltert – basierend auf dem Element „item.link“, also auf der verlinkten Adresse. (Ich will nicht verschweigen, dass das Modul an den heute üblichen Linkverkürzern scheitert; die eine oder andere Dublette bleibt drin.)
Als nächstes werden die Ergebnisse sortiert – und zwar nach dem Element „item.pubDate“, also nach dem Veröffentlichungsdatum. Die neuesten interessieren uns am meisten und stehen deshalb oben.
Und jetzt kommt eine wunderbare Eigenschaft von Yahoo Pipes zum Tragen – eine Pipe verarbeitet RSS-Feeds, und das Ergebnis ist wieder: ein RSS-Feed.
Etwas zusätzliche Übersichtliche schafft ein Trick, den mir ein graubärtiger Hacker eingerichtet hat: eine Quelle, in diesem Fall die Twitter-Suche, in den Ergebnissen markieren. Das geht mit dem rätselhaften und sagenumwobenen „Regex“-Modul; wenn ich dort einstelle: „in item.title replace (*.) with [twitter] $1“, kommen Twitter-Treffer mit einem netten „[Twitter]“ im Titel durch. Fragt mich nicht, wie das funktioniert, ich bin nur User.
Uff. Was ein Ritt.
In der Tat. Aber wenn man dadurch einen vier- bis fünfstelligen Betrag im Jahr spart? :)
Zuviel Kauderwelsch? Zu naiv? Zu simpel? Freue mich auf euer Feedback.
Übrigens sei an dieser Stelle noch einmal der Verweis auf die sehr spannende Magisterarbeit von Stefanie Aßmann über Social Media Monitoring erlaubt – danke, Ulf!
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