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Rechtsrisiko Social Media – mit einem Bein im Knast?

CC BY-NC-SA Stormcloud1001 (via flickr)Bin ich froh, dass nicht unsere Juristen hierher gefahren sind. Hätten sie sich das alles angehört über die Rechtsrisiken beim Einsatz von Social Media, hätte ihre Einschätzung womöglich gelautet: Keine Facebook-Seiten mehr, keine „Teilen“-Schaltflächen, keine Kommentare und auch Twitter nur noch sehr, sehr eingeschränkt. Und ich könnte den Kollegen noch nicht einmal böse sein: Risiken vermeiden ist schließlich ihr Job.
Die Veranstaltung: Eine Tagung der Akademie des Deutschen Buchhandels rund um juristische Probleme mit dem Sozialen Internet, mit – soweit ich das als Laie beurteilen kann – hochrangigen und kundigen Referenten. Und es ist ja auch nicht so, dass man noch nie davon gehört hätte, dass die Datenschützer aus Kiel Facebook für rechtlich bedenklich halten, aber in dieser Kompromisslosigkeit? »Als Aufsichtsbehörde kommen wir zu dem Schluss, dass es derzeit nicht möglich ist, Facebook datenschutzkonform einzusetzen«, sagt der Vertreter des ULD; Verstoß gegen Telemediengesetz § 15 (3) – keine Grauzonen, Ende der Diskussion: Wer Facebook-Seiten betreibt, macht sich mitschuldig, basta.

Facebook? Computer says no…

Die Kieler Datenschützer haben bekanntlich begonnen, gegen Facebook-Seitenbetreiber vorzugehen – mit einer Argumentation für Feinschmecker:

  • Die „Insights“-Statistik für Seitenbetreiber zeigt auch die Demographie der Nutzer an – unter anderem Alter und Geschlecht.
  • Derartige Statistiken sind laut § 15 TMG im Prinzip zulässig. In anonymisierter Form.
  • Nicht zulässig ist, anonymisierte Daten mit persönlichen Profilen zu verknüpfen – klare Aussage im Satz 3 des § 15 TMG.
  • Und das ist nun genau, was Facebook tut, wenn es die Datensätze für seine Seitenstatistik erhebt.
  • Wobei es übrigens auch die Daten noch bei Dritten speichert – bei Server-Dienstleistern wie Akamai – ohne den Nutzer vorher zu fragen.
  • Eine klare Rechtsverletzung. Und alle, die Facebook das ermöglichen, indem sie Seiten betreiben, machen sich mitschuldig.

Dass eine Statistik, die in dieser Form an sich zulässig ist, mit unzulässigen Mitteln zustande gekommen ist – das ist die schwerste Waffe im Arsenal des ULD. Dagegen tritt die Diskussion um den heiß debattierten „Like“-Button fast heimelig zurück. Und man kann fast von Glück sagen, dass die Kieler Juristen in einem anderen Punkt deutlich weniger Selbstbewusstsein erkennen lassen: bei der Frage, ob sie überhaupt fürs Verbieten von Facebook-Seiten zuständig sind. Es sei aber noch einmal daran erinnert, dass das Ziel der Kieler auch nicht ist, uns unsere Facebook-Präsenzen zu nehmen – sondern Facebook zu einer rechtskonformen Gestaltung zu zwingen. Mit bisher recht wenig Erfolg – weshalb Seitenbetreiber zu Geiseln werden können.

Zeigt ihnen die Instrumente!

Andere Erkenntnisse, Erinnerungen und Ermahnungen vom Tag mit den Juristen:

  • Wenn ein Kommentar im Blog oder auf an meiner Pinnwand beispielsweise jemanden beleidigt, muss ich in der Regel erst handeln, wenn ich davon Kenntnis erlange (bzw. von mir erwartet werden kann, dass ich das mitbekomme; die genauen Kriterien sind vom Einzelfall abhängig, sprich: vom Richter). So weit, so bekannt. Weniger bekannt ist, dass ich nach der ersten Störung des Rechtsfriedens aktiv sicherstellen muss, dass das nicht noch einmal passiert – zum Beispiel, indem ich den Beleidiger banne und zukünftig alle Kommentare 24/7 moderiere.
  • Weil die Kriterien dessen, was von mir erwartet werden kann, so unklar sind, ist man vor Gericht noch viel stärker in Gottes Hand als auf See – zumal man damit rechnen muss, dass clevere Anwälte einen gezielt vor die bekannt aburteilensfreudigen Kammern etwa in Hamburg schleppen, auch wenn man gar nicht in Hamburg ist.
  • Auch wenn ich ein Video nur einbinde und nicht selber hochlade, mache ich sie mir zu eigen – darf ich nicht, wenn ich nicht die Rechte dazu habe.
  • Wird bei Facebook noch einmal besonders tückisch dadurch, dass der Blaue Riese sich per Nutzungsbedingungen das Recht zur praktisch unbegrenzten Speicherung und Weiterverbreitung einräumen lässt. Also: Haben wir auch das Recht, das Video nicht nur zu zeigen, sondern auch weiter zu lizensieren? Nö.
  • Domokun mit Facebook-Monsterschatten - CC BY-NC Jan Eggers
    A propos Urheberrecht: Nicht nur Videos bei Facebook verletzen Rechte. Musik sowieso, auch Bilder. Etwa die Vorschaubilder, die Facebook zu empfohlenen Links zieht – es sei denn, man hat sich vom Rechteinhaber die Verbreitung auch auf Facebook zusichern lassen. Eine Zusicherung, die Bildagenturen in der Regel nicht geben. Auf das Vorschaubild-Urteil des BGH über Google sollte man sich jedenfalls nicht berufen, da der BGH für Google ein, wenn ich es richtig verstanden habe, ziemlich kleines Spezialschlupfloch gebastelt hat.
  • Die „kleine Münze“ des Urheberrechts ist Sheriff: Aus diesem Grund auch schlechte Karten für den von mir so heiß ersehnten kuratierenden Journalismus. Einfach Tweets und andere Social ohne vorherige Genehmigung ins eigene Angebot einbauen? Ziemlich sicher eine Urheberrechtsverletzung. (Mehr Kluges dazu auch hier bei Netzwertig.) Wenn ich es richtig verstanden habe, könnte sogar schon ein Retweet die Grenzen überschreiten. Mag mich nicht jemand mal spaßeshalber wegen eines ungenehmigten Retweets vor Gericht bringen?
  • Da ist es fast schon als großer Trost zu betrachten, dass auch die Nutzungsbedingungen von Facebook vermutlich in weiten Teilen ungültig sind; das gibt einem immerhin die Möglichkeit, Facebook zu verklagen. Vor dem zuständigen Gericht in Santa Clara.

Abschalten sofort?

Nun kann man daraus den Schluss ziehen, dass die Juristen doch nicht alle auf dem Zaun haben: Verstehen die das Internet nicht? Eben, tun sie offensichtlich nicht, also täten wir halt einfach gern so weitermachen, als hätten sie nichts gesagt – eine Position, die ziemlich unvernünftig ist. Ebenso unvernünftig wie ein sofortiger Stopp aller Social-Media-Aktivitäten zur Vermeidung eventueller Rechtsrisiken. Denn „Die anderen machen das aber auch“ ist keine besonders sichere Rechtsposition, und Jammern nützt nichts. Mag auch sein, dass das Urheberrecht ein todkranker Dinosaurier ist – sterben lassen müssen den andere; und solange die Politik mit einem Urheberrecht fürs digitale Zeitalter nicht beikommen, müssen wir mit den Angriffen rechnen, die aus Richtung des Dinosauriers kommen. (Ein spannendes Interview-Paket zum Urheberrecht übrigens in der aktuellen brandeins 12/2011.)
Wie der Urheberrechtsspezialist Dr. Matthias Lausen in seiner Rolle als Gastgeber sagt: Es nützt Ihnen nichts, wenn Sie sich sagen, dass bestimmte Dinge gang und gäbe sind – wenn Sie damit das Recht brechen. Dies Argument, so Lausen süffisant, hat auch Napster nichts genützt – und den zeitweisen Eigentümer Bertelsmann hat diese Art des Risikomanagements hunderte Millionen gekostet.
Am Ende des Tages geht es darum, Risiken zu kennen – um sie abzuwägen und kalkulieren zu können. Das muss meiner Ansicht nach am Ende aber auch heißen: Risiken einzugehen, und das ist der Punkt, für den ich froh bin, dass nicht meine Juristen-Kollegen hier waren. Deren Job ist Risiko-Vermeidung, nicht Abwägung. Über die Unternehmen aber diskutieren sollten – nicht zuletzt des enormen Nutzens für unsere Nutzer und uns, der in den Risiko-Betrachtungen naturgemäß zu kurz kommt. Und meiner bescheidenen Laienmeinung lohnt sich die Diskussion dann doch: ob man sich das Risiko, wegen eines Retweets erfolgreich verklagt zu werden, nicht doch erlauben sollte.

Hasenfußnote: Ich bin kein Jurist und habe diese ersten Eindrücke nicht noch einmal gegengecheckt; möglich, dass sich Fehler eingeschlichen haben. Bitte nicht darauf verlassen oder berufen – sondern im Zweifelsfall noch einmal mit dem Fachmann sprechen.

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