Neulich morgens, kurz vor zehn. Das Telefon beim Social-Media-Spezialisten klingelt, ein sehr aufgeregter leitender Mitarbeiter ist dran: „Unser Facebook geht nicht mehr!“ Der Spezialist stutzt, schaut über seinen Admin-Zugang auf die Seite – alles in Ordnung. „Nein, wir können uns mit dem Konto nicht mehr anmelden, Facebook fragt uns ständig nach einem Code, du musst sofort bei Facebook nachfragen…“ – und es folgt ein kürzerer Austausch, der hilft, erst einmal die Fakten zu klären.
Was das Problem ist: Die Abteilung hat zwar jemanden, der sich als Admin um die Facebook-Seite kümmert, darüber hinaus aber noch ein Dummy-Konto, das mehrere andere nutzen, um sich über Kommentare und Posts auf der Seite zu informieren. Facebook hat offenbar spitz gekriegt, dass das Nutzer-Profil von mehreren Leuten gleichzeitig genutzt wurde – und wegen Spamverdacht einstweilen gesperrt. Angelegt wurde dieses Konto unter – ähem – großzügiger Auslegung der Facebook-Nutzungsbedingungen von einem Mitarbeiter, der im Streit geschieden ist – und jetzt weiß sich keiner mehr zu helfen: wenn der jetzt Unsinn baut? Abermals bittet der leitende Angestellte den Spezialisten nachdrücklich, sich an Facebook zu wenden.
Der Spezialist seufzt. Lässt sich die Kontodaten schicken. Greift zum Telefon. Und ruft erst einmal bei der Handy-Nummer an, die Facebook bei jedem Anmeldeversuch nennt als diejenige, an die der Freischaltcode gegangen ist.
Auf der Mailbox hinterlässt er eine höfliche Kontaktbitte – und erhält schon wenige Minuten später den Rückruf einer aufgelösten Mitarbeiterin: sie ist diejenige, deren Handynummer mit dem Facebook-Konto verbunden ist. „Facebook schickt mir dauernd SMS; ich bin völlig genervt. Was soll ich denn jetzt machen?“ Die Kollegin erinnert sich, dass sie damals in der Tat das Konto übernommen und mit ihrer Handynummer versehen hat. Der Spezialist lässt sich den SMS-Freischaltcode durchsagen, entsperrt das Konto und ersetzt die Handynummer durch eine neutralere Sicherheitsabfrage.
Die Moral von der Geschicht‘: Die Lösung hatte nichts mit Facebook zu tun, nichts mit Computern und auch nur ganz entfernt mit Telekommunikation. Die Lösung war das, was jeder der Beteiligten sofort auch getan hätte, wenn es nicht um Facebook gegangen wäre: Einfach direkten Kontakt suchen und finden; die Handy-Nummer stand ja allen Beteiligten zur Verfügung. Aber es ging um Facebook – und das setzte sofort gewaltige Blockaden.
Wanderer in einer fremden Welt
Und wenn ich jetzt noch ergänze, dass das Unternehmen, in dem das da passiert ist, ein Medienunternehmen war und alle Beteiligten Journalisten – dann zeigt das, wie recht der hochgeschätzte Dennis Horn neulich mit seinem Kampfruf „Habt keine Angst!“ hatte: Da wird mit der digitalen Welt des frühen 21. Jahrhunderts doch ganz massiv gefremdelt. In diesem Fall war das nicht weiter dramatisch – aber was, wenn auf einmal ein echtes journalistisches Problem zu lösen ist, zum Beispiel: einzuschätzen, wie authentisch eine Quelle ist? Dann rächt sich, dass Journalisten in der digitalen Welt sich einfach nicht zuhause fühlen – und entweder überkritisch oder euphorisch reagieren, meist jedoch einfach kopflos.
Und das ist schade – eigentlich sind es gute Köpfe, die gebraucht werden. Man sollte sie dabei haben.
Ergänzung, 30.3.2012: Passend dazu der lesenswerte Essay von Marcus Lindemann für den Journalist (seit einigen Tagen online): Wehe dem, der nicht filtern kann – Warum Journalisten – selbst im Jahr 2012 – lernen sollten, das Netz besser zu verstehen.
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