Fakten hinterfragen, unverständliche Sätze verbessern, oder auch nur die Rechtschreibung gerade rücken: KI ist ein guter Schlussredakteur. Davon haben wir am meisten, wenn wir eine versteckte Fähigkeit moderner Sprachmodelle nutzen — die übrigens auch super ist, wenn man den Fehlern auf die Schliche kommen will, die die KI selber macht.
Wir korrigieren einen Beispiel-Text
Ich hab da mal was vorbereitet:
Beispieltext zum Verbessern: „Isnenheimer Altar“ (umgeschrieben aus dem Wikipedia-Artikels)
Geschichte des Isnenheimer Altars
Durch seine Lage nördlich von Colmar im Département Bas-Rhine hatte das Closter in Isenheim Zugang zu vielen Sakraltraditionen und hatte zuvor bereits einen Wanderaltar besessen, den der Winzer Martin Schongauer 1475 im Auftrag des Klosterpräzeptors Johann de Orliaco, eigentlich Jean d’Orlier, gemalt hatte, der gegen 1425 – kaum später – geboren wurde, weil bereits 1454 ist er nämlich schon als Präzeptor des Antonierhauses in Ferrera nachweisbar. Als dritter Sohn der Familien, war er von Anfang an für den geistlichen Stand bestimmt gewesen. Zwei Familenangehörige waren bereits vor ihm General-Präzeptor des Antonierordens. Er zeigte in geschlosenem Zustand, auf den beiden festen Flügeln des Diptychons die Verkündigungsszene mit Maria und dem Engel Gabriel im geöffneten Zustand, sah man auf dem Linken Flügel, wie das Kind Maria dass Kind anbetet, und rechts Antonius den Einsiedler mit der stifterfigur des damaligen geistlichen Kloster-Sachwalters Jean d’Orler, und in dem geöffneten Zustand war, aber ist nicht mehr, in der Mitte eine lebensgroße Skulptur der Jungfrau Maria zu sehen. Die Klosteraltarflügel werden im Museum Unterlinden ins “Licht der öffentlichkeit” gebracht; die Mariakulptur befindet sich seit 1824 im Pariser Louvre.Ein Prompt für diese Aufgabe ist schnell formuliert, zum Beispiel so — mit Rolle und Objective nach ROMANE-Formel:
Korrigiere diesen Text als Lektor. Formuliere ihn einfacher und verständlicher; schlage sprachliche Verbesserungen vor.
Und jetzt: Die magische Zutat. Ein kleiner Zusatz, der der KI vorgibt, wie sie die Ergebnisse aufbereiten soll.
Gib die Ergebnisse als Tabelle aus:
| Originaltext | Korrektur | Begründung |
Mit diesem Prompt spuckt mir meine derzeitige Lieblings-KI Mistral das hier aus:
Sicher: Ich hätte mir das Ergebnis auch einfach so ausgeben lassen können, als fertig korrigierten Text. Aber ich will ja, dass die KI meine Arbeit unterstützt, nicht dass sie sie übernimmt. So kann ich durchgehen, was die KI gefunden hat, kann sehen, was sie verschlimmbessern will, und eher finden, was sie nicht gefunden hat.
Tabellen (und mehr) von der KI – wie geht das?
KI-Sprachmodelle haben sich aus den vielen Programmcode-Beispielen in ihren Trainingsdaten einen Trick abgeschaut: Sie können so genanntes Markdown ausgeben. Markdown ist ein Standard, über den man über einfache Zeichenfolgen Texte auszeichnen kann: Ein Wort, das zwischen zwei Sternchen steht: Der Text
*Hervorhebung*
wird kursiv als Hervorhebung ausgegeben, eine Zeile, die mit # anfängt, ist eine Überschrift, und so weiter. Und der Markdown-Standard enthält auch eine Vereinbarung für Tabellen: Mit dem |
-Zeichen und -Strichen kann man defineren, wie die Tabelle aussehen soll.
Die KI-Sprachmodelle sind also hervorragend darauf trainiert, Markdown-Text zu generieren. Und die Chatbot-Oberfläche kann diesen Markdown-Code dann in formatierten Text umwandeln. Das funktioniert übrigens auch prima mit Links: Der folgende Prompt bringt auch ChatGPT dazu, einen Link zu Google Maps zu erzeugen; normalerweise würde der OpenAI-Chatbot versuchen, uns einen Link in das deutlich schlechtere Microsoft-Kartenangebot unterzuschieben:
Erstelle eine Tabelle der 5 interessantesten Orte für Familien in Frankfurt mit einem Kartenlink in der folgenden Form:
# 5 interessante Orte für Familien
| Ort | Warum ist er interessant? | Link |
| --- | --- | --- |
| Zoo | (Begründung) | [Google Maps](https://www.google.de/maps/@50.1153891,8.70835,15z) |
(Link zum Ergebnis bei Mistral hier. Und die KI-Supatopcheckerbunnies werden es bemerkt haben: Ich nutze hier ein Few-Shot-Prompt; mehr dazu in der „ROMANE“-Formel unter Anwendungsbeispiele).
Der Tabellen-Hack funktioniert in allen marktüblichen Chatbots: Claude kann es ebenso gut wie Mistral, auch Deepseek, und ChatGPT sowieso. Und meist reicht es auch, bei der KI eine Tabelle zu bestellen, ohne die hässlichen Sonderzeichen: „Gib mir die Ergbnisse als Tabelle aus, mit Spalten für Ort, Begründung, und Kartenlink.“
Allerdings habe ich bei ChatGPT eine interessante Schwäche beobachtet: Dort führt das Zauberwort „Tabelle“ immer wieder mal dazu, dass die KI keine Tabelle generiert, sondern anfängt, ein Python-Programm zur Ausgabe einer Tabellen-Datei zu schreiben. Das ist nicht nur Overkill, sondern vor allem unhandlich und fehleranfällig.
OpenAI hat die ChatGPT-Sprachmodelle ja zunehmend Richtung Agenten ausgebaut, also sie in die Lage versetzt, Programmcode als Werkzeug zu schreiben und einzusetzen. Vermutlich ist das eine Nebenwirkung davon. Was also tun? Wenn ChatGPT penetrant Code produziert statt Tabellen-Formatierungen, hilft nur: neuen Chat starten, ausdrücklich eine „Markdown-Tabelle“ bestellen, Prompt immer wieder umformulieren — und auf die konstruktive Kraft des Zufalls hoffen.
KI als Faktenchecker
Besonders nützlich finde ich Tabellen übrigens, wenn ich auf Fehlersuche bin, und das schließt Fehler der KI ein. Sagen wir, wir hätten uns von der KI drei Agentur-Texte zu einer Meldung zusammenfassen lassen, und wollen das Ergebnis gegenprüfen, was ja beim derzeitigen Stand der Technik eine journalistische Notwendigkeit ist. Also: Neuen Chat öffnen (vielleicht sogar in einer anderen KI?); Ausgangsmaterial und KI-Zusammenfassung einkopieren, und einen Prompt in der folgenden Art:
Prüfe, ob die Nachrichtenmeldung die Agenturmeldungen korrekt wiedergibt. Weise auf mögliche Unklarheiten und Widersprüche hin. Nutze dabei die folgende Form:
| Nachrichtentext | Kritik | Agenturmeldungen |
Mit einem ganz ähnlichen Prompt listet uns die KI auch die faktischen Fehler in unserem kleinen Beispieltext von oben auf, die bei der reinen Rechtschreib- und Stilkorrektur unentdeckt durchgerutscht sind:
Arbeite als Faktenchecker: Isoliere zunächst alle "Claims", also alle Tatsachenbehauptungen. Suche dann nach einem Beleg, einem "Proof". Generiere dann einen Link zum "Proof", in der Form [Beleg](https://www.beispiel.de). Schätze dann den entsprechenden Claim ein und gib gegebenenfalls eine Korrektur an. Gib die Ergebnisse als Tabelle in der folgenden Form an:
| Claim | Proof | Einschätzung |
Auch hier ein Link zum Ergebnis bei Mistral.
Kleine Warnung: Beim Faktenchecken sollte man die Internet-Suche einschalten — bei Mistral geht das durch einen Klick auf den „Tools“-Button und ein Häkchen bei „Websuche“ — und sehr genau beobachten, ob die KI auch wirklich die verlinkten Quellen durchsucht und genutzt hat. Sonst bekommt man mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen echten Beleg, sondern eine Einschätzung aus den Trainingsdaten mit einer halluzinierten, also unbrauchbaren Quellenangabe! Die Technik zur Kombination aus Suchmaschine und Sprachmodell ist meiner bescheidenen Einschätzung nach auch knapp zwei Jahre nach ihrer Einführung noch nicht ausgereift.
Wer es selbst überprüfen will: hier die Liste der von mir im Textbeispiel versteckten Fehler.
- Isenheim, nicht Isnenheim
- Isenheim ist südlich von Colmar, nicht nördlich
- Es liegt im Departement Haut-Rhin, nicht Bas-Rhine
- Martin Schongauer war Maler, nicht Winzer (auch wenn…)
- Der Altar ist ein Wandelaltar, kein „Wanderaltar“ – er lässt sich umwandeln…
- …und er ist ein dreiteiliges Triptychon, kein zweiteiliges Diptychon
- Der Orden des Präzeptors: Er war Antoniter in Ferrara, nicht Antonier in Ferrera
- Die erwähnte Marienskulptur ist in Wirklichkeit erst seit 1924 im Louvre
- Nicht das Kind betet Maria an, sondern Maria betet das Kind an
Bild: ChatGPT-4o, „Ein freundlicher Roboter, aus dessen Mund als Ausdruck eine Tabelle kommt, vor ihm eine junge Frau mit Brille, die auf das Ergebnis wartet und grinst. Comic-Stil.“
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