Ich hatte heute abend das Glück, mit einigen sehr interessanten Menschen auf einem Panel zu sitzen. Es ging um das Thema „Crossmedia“ – die Frage, wie man über die Grenzen von Fernseh-, Print-, Radio und Internetjournalismus hinweg sinnvoll und im Sinne der Nutzer arbeiten kann – und drehte sich dann doch sehr schnell wieder um die Frage, die Journalisten umtreibt wie kaum eine zweite: Was macht im Internetzeitalter die Einzigartigkeit unserer Arbeit aus? Was ist es unserer Meinung nach wert, als Profis dafür bezahlt zu werden?
In dieser Diskussion tauchte als Nebenpunkt etwas auf, das mich schon länger umtreibt und deswegen hier im öffentlichen Thesenspeicher landet: eine Stimmung in weiten Teilen der Blogosphäre, die den darbenden Zeitungen nachruft: Selbst schuld. Ideenlos, verbohrt, eingebildet – diese Art „Qualität“ braucht niemand; sie geht zu Recht bei den Nutzern und potentiellen Käufern unter.
Nun ist es sicher so, dass viele Verleger nicht gerade mit Ideenreichtum und Kreativität glänzen in der Krise. Trotzdem denke ich, dass sowohl den Kritikern als auch den Kritisierten klar sein muss: für einen Großteil der Presselandschaft kann es keine Rettung geben und kein funktionierendes Geschäftsmodell. Das ist einfach Konsequenz einer veränderten Medienökonomie.
Die Bedingungen für Medienhäuser haben sich im Internetzeitalter in einigen entscheidenden Punkten geändert:
- Die regionalen Monopole sind dahin. Während Zeitungsverleger früher relativ geschützt in den Grenzen ihres Verbreitungsgebiets agieren konnten – und meist zudem völlig konkurrenzlos – , stehen zumindest Teile ihres Angebots im Internet im weltweiten Wettbewerb. Auch von regionalen Anbietern aus anderen Medien, etwa Radio- und Fernsehsendern, müssen sie zunehmend Konkurrenz befürchten. (Auf der nationalen Ebene: das Gleiche – nur schlimmer.)
- Die Mikro-Nischen schwinden. Auch von unten wird das Geschäft der Verleger angekratzt: von den „Prosumenten“; denjenigen, die die fast kostenlosen Produktionsmittel des Internetzeitalters nutzen, um ihr Blog/ihren Stream/ihren Channel zu befüllen. „Ein leidenschaftlicher Amateur schlägt den gelangweilten Profi fast immer“, schreibt Wired-Chefredakteur und „Longtail“-Vordenker Chris Anderson. Es sollte den professionellen Anbietern von Inhalten eine Warnung sein.
- Aufmerksamkeit bleibt ein knappes Gut. Riepl hin oder her: Natürlich steigt die Mediennutzung nicht unbegrenzt; die Inhalte konkurrieren beim Nutzer um eine sehr begrenzte Ressource: seine Zeit.
- Verbreitungs-Grenzkosten nahe null. Habe ich ein Internet-Angebot erst einmal erstellt, sind die Kosten für jeden weiteren Nutzer zu vernachlässigen. Nicht wie bei einer Zeitung, für die ja tatsächlich irgendwann einmal ein Bäumchen gefällt werden muss: Wenn ich überragende Inhalte habe, ist es für mich und die Nutzer ohne Bedeutung, ob der Text zehntausend, hundertausend, Millionen zusätzliche Nutzer findet.
Diese Punkte zusammen haben eine Konsequenz: Medienunternehmen im 21. Jahrhundert befinden sich tief in dem Land, das der Ökonom und Querdenker Nicholas Nassim Taleb als „Extremistan“ bezeichnet. Einer nicht skalierenden, zutiefst ungerechten Umwelt, in der es einige wenige große Gewinner gibt und sehr, sehr viele Verlierer.
Allein die großen, attraktiven Gewinne für die wenigen an der Spitze werden dafür sorgen, dass weiter professionelle Medien-Inhalte produziert werden; ein Großteil von Produzenten, die auf diese großen Gewinne hoffen. Aber nur die wenigsten Medienanbieter werden davon leben können. Mit dieser Argumentation vor Augen fällt es mir leicht, Jeff Jarvis zuzustimmen: „Wenn wir nur die Hälfte der Journalisten hätten, wären es immer noch zu viele.“
Nachtrag: Kleiner, gemeiner und feiner Artikel über die Medienökonomie aus Sicht der Burdas dieser Welt bei der famosen Ulrike Langer.
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