"A journalist who is also a bad programmer, stylized in the style of Gary Larson"

Von Bonaqa lernen heißt: überleben lernen?

Das Internet hat die Medien unumkehrbar verändert: Regionale Monopole bröckeln, Zeitungen sterben, Geschäftsmodelle wackeln. Während deutsche Verleger sich auf Google einschießen, schaut die angelsächsische Medienwelt gebannt auf Rupert Murdoch und dessen Versuch, Bezahlschranken um die Netzangebote seiner Zeitungen zu errichten Man kann das als innovative Abwehrschlacht deuten – oder eher als Ausdruck werten von Hilflosigkeit und von mangelndem Verständnis für die Regeln auf den neuen Informationsmärkten.

Das alles hilft wenig, um den Blutdruck professioneller Journalisten wieder zu senken: wir ahnen, dass das rettende Geschäftsmodell nicht gefunden ist und das Überleben außerhalb geschützter öffentlich-rechtlicher Biotope immer schwerer wird. Where’s the money – wer füllt uns in Zukunft den Kühlschrank?

In einem Blog-Eintrag für das Knight Digital Media Center diskutiert der amerikanische Journalistik-Dozent Brian McDermott eine mögliche Rettung für darbende Medienanbieter, und die hat mit einem Phänomen zu tun, das ich hier mal das „Bonaqa-Paradox“ taufen möchte: Unter diesem Namen verkauft Coca-Cola etwas, das sich von Leitungswasser nicht sonderlich deutlich unterscheidet. Leitungswasser bekommen wir glücklichen Industrieländler praktisch zum Nulltarif – und in gleichbleibend guter und überwachter Qualität. Warum also sind wir bereit, für Wasser auf einmal einige sauer verdiente Euro zu bezahlen, nur weil es nett verpackt ist?

Darüber hat sich auch Brian McDermott gewundert.

Könnte die erfolgreiche und lukrative Markenstrategie von Mineralwasser auch bei den kostenlosen Online-Inhalten funktionieren, habe ich Rob Frankel gefragt, einen Markenberater in Los Angeles.

„Absolut“, sagte er.

„Wie?“ fragte ich.

„Das kann ich Ihnen in vier Worten sagen: Kaufen Sie mich ein“, sagte er. „Bei der Markenbildung geht es darum, die Wahrnehmung zu schaffen, dass Sie die einzige Lösung für die erwarteten Probleme sind. Ich bin bis jetzt noch keinem Problem begegnet, das nicht gelöst werden konnte.“ (Artikel von Brian McDermott hier; meine Übersetzung)

An Selbstbewusstsein mangelt es diesem Werber aus Los Angeles nicht – aber vielleicht hat er ja Recht? Vielleicht ist ein profitables Inhalte-Angebot im Internet einfach eine Frage der richtigen Verpackung, der richtigen Marke, und vor allem: des richtigen Werbe-Etats. Rupert Murdoch würde es mit Wohlgefallen hören. Legen wir also für einen Moment die journalistische Eitelkeit beiseite und tun so, als seien Inhalte im Netz tatsächlich so etwas wie Tafelwasser: vollkommen austauschbare Literware, die ihren Wert letztlich am Umfang und Erfolg der zugehörigen Markenkampagne bemisst. Vielleicht liegt es hier, das schmerzlich vermisste Geschäftsmodell für die Zukunft des Journalismus.

Auch wenn der Journalistik-Dozent der Idee selbst nicht so ganz traut – McDermott bezeichnet seinen Artikel als Gedankenexperiment – er hat da eindeutig etwas gefunden: Das Bonaqa-Paradox widerlegt anscheinend einen Glaubenssatz, wie ihn zuletzt der Wired-Chefredakteur Chris Anderson in seinem Buch „Free“ formuliert hat: Kostenlos-Kultur ist anders. Anderson zitiert Finanzpsychologen, die herausgefunden haben, dass der Preispunkt Null alles ändert und die Psychologie des Kaufens und Verkaufens komplett über den Haufen wirft. Nicht zuletzt auf dieser Beobachtung gründet er seine Skepsis gegen herkömmliche Bezahlmodelle im Netz. Anders beim Tafelwasser: Die Konsumenten zahlen ja für etwas, das sie anderswo kostenlos bekommen könnten. Es ist fast wie Magie.

Allerdings benötigt der große Zaubertrick der Tafelwasser-Produzenten ein Element, das in der digitalen Welt (noch) keine Analogie findet: die Flasche.  Sie teilt die praktisch unendliche Ressource Trinkwasser auf in handhabbare Mengen, für die der Hersteller dann einen unverdächtigen Preis verlangen kann. Sie trägt ein Marken-Etikett. Sie ist transportabel und bietet damit einen praktischen Nutzen für unterwegs. Man könnte argumentieren: Bei Tafelwasser ist es eigentlich die Flasche, die wir kaufen und die den eigentlichen Mehrwert gegenüber Leitungswasser darstellt.

So, und nun übertragt das mal schön auf die Welt der digitalen Inhalte. Deren Wesen ja gerade darin besteht, dass diese Inhalte zunehmend losgelöst vom Kontext konsumiert werden – wer das verhindern will, muss Mauern errichten, Inhalte bündeln; all das tun, was die digitale Ökonomie derzeit so konsequent abstraft. Die digitale Wasserflasche ist noch nicht erfunden.

Die Flasche hat noch eine Eigenheit, die für ihren Erfolg in der wirklichen Welt verantwortlich ist: Sie besetzt Regalplatz. Wasser beziehen die meisten von uns aus dem Getränkemarkt – oder aus dem Supermarkt um die Ecke. Dort aber ist der Platz im Regal mehr oder weniger begrenzt und damit auch die Konkurrenz – die Flasche hat es leicht. Im Internet geht die Marken-Konkurrenz aber gegen unendlich: man stelle sich statt des Regals mit Wasserflaschen vor, wir würden unser Tafelwasser einfach per Leitung und per Vertrag beziehen – und per Netz bestellen, mit allen Wasserherstellern der Welt als Konkurrenten, die nur einen Klick entfernt sind. en würden – dann würde wohl auch die effektivste Werbung nicht mehr helfen.

Die digitale Welt des endlosen Kopierens und Verbreitens hat ihre eigene Ökonomie, und es ist ziemlich sicher, dass die Tricks aus der Welt der endlichen Materie dort nicht funktionieren. Oder um es mit Jeff Jarvis zu sagen: „Atoms are a drag. Stuff sucks.

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